Ich kann die Stammeszugehörigkeit der Leute nicht gut erkennen und habe auch nicht danach gefragt.
Ich denke, dass es, bei der Frage, einer Beurteilung gleich gekommen wäre. Und für mich zählt ohnehin nur der Mensch. Und wenn ich »Schwarz« schreibe, dann nur als Unterscheidungsmerkmal.
Shark Island.
Er liegt kurz vor der Campsite im Auto und macht ein Nickerchen. Was will man sonst auch machen, da ist nix los. Grad mal gar nix. Allerdings muss er aufstehen, um Eintritt von uns zu kassieren. Ja, auch dann, wenn wir nur spazieren gehen wollen. Sagt der untersetzte Mann mit der Uhr am Arm, die nicht funktioniert. Mir scheint, dass eine funktionsuntüchtige Uhr trotzdem ein Zeichen von Wohlstand ist.
Er war ein netter Typ, wir hatten Urlaub. Zeit zum Plaudern. Irgendwann landeten wir bei Reparationszahlungen der Deutschen. Das Thema hatte gerade eine gewisse Aktualität.
»Es wäre wohl fair, wenn sich die Hereros nicht wieder das ganze Geld einstecken würden. Das Geld sollte ganz Namibia gehören.« Das waren seine Gedanken zu dem Thema. Ich denke, dass er damit Recht hat. Eine einseitige Entschädigung würde das Volk noch spalten, darüber wir uns alle einig. Es ist also nicht so, dass sich Angestellte die im Auto schlafen, keine Gedanken machen.
Waterberg Plateau
Der Herero macht keinen Hehl daraus, dass er nur seinen Job erledigt. Und zwar unfreiwillig.
»Ich muss meine Familie durchbringen.«
»Müssen wir auch.«
Ach, meine Güte, eigentlich war er ganz er nett. Als Mann betrachtet, also auf Augenhöhe. Wir sassen auf einem Stein und plauderten kurz.
»Kathi, ich sehe unsere Lodge. Alles ist gut, niemand ist im Pool.«
»Noch nicht«, sagte der Herero. Sieh an, er konnte deutsch sprechen.
So kam es dann irgendwann zum Dialog oben.
»Müssen wir auch.«
»Das ist was anderes.«
Naja, ist es ja immer, auch in Europa.
Immerhin hat der Mann keinen überflüssigen Unfug geredet. Halt das, was er denkt.
So sassen wir auf diesem Stein. Mehr Feind als Freund, aber es wird schon irgendwie gehen.
So what, ich kann ihn ja schlecht zwingen. Ausserdem habe ich Verständnis für ihn.
Er machte einen aggressiven Eindruck. Die meissten Herero machten diesen Eindruck.
Sie berufen sich auf ihren Stolz als Volk. So hat auch die Angestellte, die unsere Wäsche wusch, dies nicht mit Freude getan. Wir hatten ständig das Gefühl, böse angeschaut zu werden.
»Leute, ehrlich, man kann sich mit seinem Stolz auch selbst im Weg stehen.«
Rhino-Tracking auf der Ghaub Gästefarm.
Wir liefen brav unserem Guide und Fährtenleser hinterher. Währenddessen erklärte er uns die Spuren im Sand. Spuren, die so klein sind, dass sie mit unserem blossen Auge kaum zu erkennen waren. Der Mann war in seinem Element. Und als wir uns dazu entschieden, mitten in den Busch und zwischen die dornigen Akazien zu laufen, war ein leichtes Lächeln auf seinem Gesicht zu sehen. Wir meinten es also ernst. Rein in die Wart-ein bisschen-Büsche. Keine fünf Minuten später stand ein Breitmaulnashorn direkt vor uns. Es waren vielleicht 3 Meter. Als ich die Kamera hob und auf den Auslöser drücken wollte, hörte ich hinter mir ein leises »nej«. Schade, dann halt nicht. Er ist der Fährtenleser, nicht ich. Der Mann weiss, was er tut und ich höre auf ihn. Dan, so verstand ich seinen Namen und wunderte mich, fühle sich immer wohler und ging immer schneller. Wir sprachen ausschliesslich über die Natur. Bei anderen Themen wich quasi das Leben aus seiner Stimme. Sie wurde sofort leiser und gedrückter. Nur hier draussen im Busch fühlte er sich wohl. Er atmete Pflanzen, Tiere und Spuren förmlich. Es war sein Lebenselixier. Jetzt kann ich vieles verstehen, was über die Schwarzen gesprochen wird. So einen Mann kann man weder in die Autowerkstatt, noch in ein Büro stellen. Was soll der da? Der will das nicht, der versteht das nicht, der kann das nicht. Eine enge Umgebung in der protestantischen Arbeitsethik ist für Dan genauso feindlich, wie für uns die Marsoberfläche.
Fitness ist erforderlich, stand im Prospekt. Das stimmt. Wir liefen knappe vier Stunden.
An Dan ging das scheinbar spurlos vorbei.
Omandumba Living Museum der San
Ist schon irgendwie freiwilliger Menschenzoo. Immerhin auf eine gute Art und Weise. 3 Monate lang Touristen ertragen, und dann ist Schichtwechsel. Zurück nach Hause und wieder richtig leben. So hört es sich jedenfalls an. Was wirklich dahinter steckt, ist schwer zu erkennen, denn der kulturelle Unterschied ist so gross, dass die San eigentlich nicht verstehen, was ich sagen, bzw. fragen will. Die haben mit unserer Kultur überhaupt nichts am Hut. Da stehen z.B. Touristen und feilschen bei den handwerklichen Gegenständen und die San haben überhaupt keine Lust dazu. Die „Geiz ist geil Generation“ freut sich, der San wirkt überfordert. Ekelig, es ist mal wieder fremdschämen angesagt. Und die haben tatsächlich noch das Gefühl, zu wenig herausgehandelt zu haben. Ich stehe daneben und bin hart an der Kotzgrenze.
Zurück zur Kommunikation mit den San.
Deren Sprache und Gestik, dort am Baum, wo sie von ihrer Umgebung sprechen, ist alles glasklar. Es wird englisch übersetzt, aber das ist fast nicht mehr nötig. Sobald wir aber Fragen stellen, die andere Dinge betreffen, ist es vorbei mit der Kommunikation. Es gibt keinen gemeinsamen Nenner mehr. Alles wird absolut direkt beantwortet. Ich fragte nach der Wassersuche, denn das ist ja interessant und wird in Filmen oft gezeigt. „Drüben bei der Farm, dort bekommen wir auch das Essen.“ Was soll ich dazu sagen? Frage beantwortet. Der San stiess mich mit meiner Nase in die eigene Kommunikationslücke. Es wurde mir sofort klar, dass Sprache bei den San wirklich zur reinen Kommunikation dient. Jedenfalls mit uns. Untereinander machen die San sicher auch Scherze und belächeln uns. So sah es jedenfalls aus.
Windhoek
Schon als ich ankam, kam mir Stadt irgendwie vertraut vor. Warum, weiss ich nicht. Es sah einfach alles ganz normal aus. Erst, nachdem ich mir Häuser und Umgebung angeschaut hatte, fiel mir auf, dass die Menschen schwarz sind. Und auf eine gewisse Art und Weise ist das Gefühl so geblieben. Eigentlich war es in Windhoek wie in jeder Stadt. Nur eines fiel mir deutlich auf. In Windhoek gab es 2018 so etwas wie eine Sockenmode. Kaum ein Mensch trug unifarbene Socken. Und immer sahen sie elegant und geschmackvoll aus. Nur sehr selten waren Farben oder Stil überzogen.
Interview im Hilton
Zwei junge Frauen, eher aufgetakelt, aber völlig selbstbewusst, wurden von einem Journalisten mit dem IPhone interviewt. Das Selbstverständnis, welches dabei zum Ausdruck kam, war wirklich aufschlussreich. Andererseits wundert mich das nicht. Ich glaube, dass die Frauen in Namibia eher »im Vorwärtsgang laufen«.
Polizeikontrollen
»Ihr Licht geht vorne links nicht.«
»Komisch, gerade eben ging es noch.«
»Vielleicht habe ich mich versehen.«
»Kein Problem. In Lüderitz weht übrigens strammer Wind, kann sein, dass der hierher kommt.«
»Habe ich schon gehört. Gefällt es ihnen im Land?«
»Es ist klasse. Besonders die Farben.«
»Das freut mich. Schöne Fahrt noch.«
Noch eine Strassenkontrolle.
Dieses mal fange ich an.
»Hallo, wie geht es, es ist etwas kühler hier. Hat es geregnet?«
»Nein, es kommt aber vielleicht noch.«
»Kann gut sein, im Norden hat es überall mal geregnet.«
»Wie lange sind sie schon unterwegs?«
...
...
Verkehrskontrollen dienen der Sicherheit. Informationen ebenso.